Die im folgenden beschriebenen Projekte sollen die Entwicklung des Einsatzes von Telekommunikationstechnologien in Kunstprojekten aufzeigen, die verwendeten Medien beschreiben und auf die zunehmende Verfeinerung im Umgang mit ihnen verweisen. Dieser kurze Abriss konzentriert sich auf Projekte mit österreichischer Beteiligung und auf solche, die von Österreich aus ihren Ausgang nahmen, und dabei wieder auf solche, in die ich persönlich involviert war. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird also ausdrücklich nicht erhoben.
1979 erreichte mich eine Einladung aus Toronto: ich sollte an einer On Line Computerkonferenz teilnehmen. Eine Timesharing Firma, I.P.Sharp Associates (IPSA), hatte gerade eine Filiale in Wien eröffnet und die Zentrale in Toronto stellte dem Telekommunikations-Projekt INTERPLAY gratis Computerzeit zur Verfügung, einem Kunstprojekt, das zum Programm der Veranstaltung "Computer Culture Canada" zählte. "Interplay" fand am 1.April 1979 zwische 20 und 22 Uhr MEZ statt und vernetzte Stationen in 12 Städten in Kanada, den U.S.A., Australien, Japan und Österreich. Wien nahm mit zwei Schauplätzen teil: Richard Kriesche und ich befanden uns im I.P.Sharp Büro in der Linken Wienzeile, während Gottfried Bach, der Leiter der Wiener IPSA Filiale, einen tragbaren Terminal in ein Studio im Funkhaus in der Argentinierstrasse gebracht hatte, um eine Live-Übertragung der On Line Konferenz in der Sendung "Kunst heute" im Programm Österreich 1 zu ermöglichen.
1980 schickte Bill Bartlett, der Organisator von "Interplay" Einladungen zu einem weiteren Projekt aus: es handelte sich um eine On Line Erweiterung des Symposiums ARTISTS' USE OF TELECOMMUNICATIONS CONFERENCE im Museum of Modern Art in San Francisco (SFMMA). Für dieses Symposium wurden die Medien Slow Scan Television (SSTV) und Computerkonferenz eingesetzt. Es war wieder die Firma IPSA, die gratis Computerzeit zur Verfügung stellte. Das Netz umfasste Stationen in San Francisco, Vancouver, Victoria, Toronto, Cambridge (MIT), Honolulu, Tokio, New York und Wien. Der österreichische Beitrag wurde am 15.Februar 1980 übermittelt, u.zw. als Teil der Ausstellung "Video Made in Austria", die Dieter Schrage im Museum des 20. Jahrhunderts organisiert und kuratiert hatte. Organisatorisch wurde ich damals von Grita Insam unterstützt, zu den Teilnehmern zählten KünstlerInnen wie Ernst Caramelle, Valie Export, Karl Kowanz, Richard Kriesche und Peter Weibel.
Die Organisation weltweiter Kommunikationsprojekte mit Hilfe von Luftpost und Telefon erwies sich als immer problematischer und so begannen Bill Bartlett und ich im Sommer 1980 Druck auf IPSA auszuüben, um diese Firma zur Entwicklung eines billigen und User-freundlicheren E-Mail-Programmes für User zu bewegen, die keinen Firmen oder Institutionen angehörten, sondern als Einzelpersonen von ihren Ateliers aus operierten. Das Resultat war ARTBOX, eine Entwicklung von Gottfried Bach, - eine einfache und billige Version der IPSA "Mailbox". Die ARTBOX unterlief eine Reihe von Veränderungen bis sie 1983 als ARTEX festgeschrieben wurde: "The Artists' Electronic Exchange Program" - eine "User Group" im IPSA Netz. ARTEX hatte ungefähr 30 Mitglieder und wurde für die Organisation weltweiter Projekte, als Medium für Kunstprojekte und als Medium für persönliche Kontakte verwendet. ARTEX existierte bis ungefähr 1990, solange bis IPSA von REUTERS aufgekauft wurde.
1981 wurde Tom Klinkowstein Mitglied von ARTBOX und brachte den Vorschlag zu einem Telefaksimile (FAX) -Projekt ein. FAX war damals praktisch unbekannt, aber wir hatten etwas von Experimenten läuten hören, die zwischen Gruppierungen von KünstlerInnen in Nordamerika stattgefunden hatten. Das Projekt wurde am 5. August 1991 zwischen dem Mazzo Club in Amsterdam und der Blitz Bar in Wien realisiert. Es war das erste FAX Projekt von Künstlern in Europa. Christine Schöpf von der Ars Electronica war in der Blitz Bar und forderte mich auf, ein Telekommunikationsprojekt für die Ars Electronica 1982 zu entwickeln. Das Ergebnis was "Die Welt in 24 Stunden".
DIE WELT IN 24 STUNDEN war das aufwendigste und ambitionierteste Kunst-Projekt, das bis dahin mit Low Tech, also im internationalen Telefonnetz, versucht wurde. Zunächst einmal musste ein weltweites Netz von teilnehmenden KünstlerInnen und Gruppen geschaffen werden, die jeweils einen Beitrag zu gestalten hatten, der auf die Medien SSTV, FAX, Computer Mailbox/Konferenz oder einfach Telefon-Sound oder zumindest eines von diesen Medien zurückgreifen sollte. Die Teilnehmer befanden sich in Wien, Frankfurt, Amsterdam, Bath, Wellfleet, Pittsburgh, Toronto, San Francisco, Vancouver, Honolulu, Tokio, Sydney, Istanbul und Athen. Jede Station wurde um 12 Uhr Mittag Lokalzeit von Linz aus angerufen - das Projekt begann also am 27.September um 12 Uhr Mittag MEZ und endete, der Sonne rund um die Erde folgend, am 28.September wieder um 12 Uhr MEZ. Meine Mitarbeiter in Linz waren Waltraud Cooper, Norbert Hinterberger und Studenten aus der Klasse von Prof.Ortner an der Hochschule für Gestaltung. Der Wiener Beitrag wurde von Helmut Mark und Zelko Wiener organisiert, u.zw. im Studio des Österreichischen Kulturservice.
Die Zusammenarbeit mit Helmut Mark und Zelko Wiener führte dazu, dass wir 1983 zusammen mit dem Musiker/Techniker Karl Kabaczek und dem Techniker Gerhard Taschler den Verein BLIX gründeten. Wir wurden bei unserer Arbeit weiterhin vom ÖKS unterstützt und ohne diese Unterstützung häten die folgenden Projekte gar nicht stattfinden können. Das erste dieser Projekte war "Telephone Music", ein Telefonkonzert, das am 15.April 1983, organisiert von BLIX, zwischen Wien, Berlin und Badapest stattgefunden hat.
TELEPHONE MUSIC war der Versuch, das Telefon (als einziges allgemein zugängliches elektronisches Kommunikationsmedium) zur Schaffung eines gemeinsamen Arbeitsraumes für KünstlerInnen einzusetzen, eines Raumes, der die ideologischen Barrieren zwischen dem "westlichen" Wien, dem isolierten und geteilten Berlin und dem "östlichen" Budapest jener Jahre überwinden sollte. Im ÖKS Studio in Wien, bei Artpool in Budapest und bei Aufbau/Abbau in Berlin schlossen wir unsere Telefone an Verstärker an und spielten uns gegenseitig ein paar Stunden lang live Musik zu.
WIENCOUVER IV (4.Dezember 1983) war ein viel grösseres Projekt, das das Know-How, das wir aus der Telephone Music gewonnen hatten für eien dreistündigen Austausch von Klang und Bild (SSTV) zwischen dem ÖKS Studio in Wien und Western Front in Vancouver nutzte. Ich war damals Artist-in-Residence bei Western Front und organisierte WIENCOUVER IV im Rahmen meiner "Residency" zusammen mit Hank Bull. Der Wiener Beitrag wurde von BLIX organisiert. Für Sound und Bild stand je eine Telefonleitung zur Verfügung. Künstlerbands, KünstlerInnen und PerformancekünstlerInnen traten in beiden Städten live on line auf. WIENCOUVER IV war ein Experiment, in dem es um Zwei-Weg- bzw. interaktives Fernsehen ging. In Wien gab es übrigens unmittelbar vor WIENCOUVER IV ein Live-Telefonkonzert mit Warschau und Beriln. Und in Vancouver gab Bill Bartlett, der wahre Pionier der Low-Tech Künstler-Telekommunikation, seine letzte Vorstellung als Teilnehmer in einem Kommunikationsprojekt.
Als Teil meiner Western Front Residency organisierte ich auch das Netz für Roy Ascott's ARTEX Projekt LA PLISSURE DU TEXTE, einem Experiment mit kollektiver Autorenschaft. Das Projekt war Teil der Ausstellung ELECTRA'83 in Paris. Den Teilnehmer in 11 Städten rund um die Welt wurden Rollen in einem globalen Märchen zugewiesen, das sich zwischen dem 11.Dezember und 23.Dezember 1983 entspann. Die Rollen waren: Alma (Quebec) - das Ungeheuer; Amsterdam - der Böse; Bristol - der Betrüger; Honolulu - der weise Alte; Paris - der Zauberer; Pittsburgh - der Prinz; San Francisco - der Narr; Sydney - die Hexe; Toronto - die gute Fee; Vancouver - die Prinzessin; Wien - der Zauberlehrling. Das Medium für LA PLISSURE DU TEXTE war ARTEX und IPSA stellte für das Projekt 3 Wochen gratis Netzwerkzeit zur Verfügung. Der Wiener Beitrag wurde von BLIX im ÖKS Studio organisiert.
Für die Wiener Festwochen 1984 veranstaltete BLIX in der Wiener Secession das SSTV Projekt KUNSTFUNK für Amateurfunk. Eine Woche lang wurden die oberen Räume der Secession in ein Funkstudio und einen Performance- Raum verwandelt. Jeden fand eine von einer jeweils anderen Künstlergruppierung veranstaltete Performance oder Installation für SSTV-Übertragung statt. Für die Übertragung wurde Kurzwelle (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) und UKW (zu einem lokalen Amateurfunker und Weiterleitung via Satellit nach Pittsburgh) eingesetzt.
Das letzte Projekt, das vom ÖKS unterstützt wurde, war KUNST BTX, ein experimentelles Videotextmagazin. 1985 führte die Österreichische Post BTX ein. Es handelte sich um ein viel besseres System (CEPT2) als die bis dahin in Europa üblichen. Die Post stellte MUPID, einen billigen Computer zur Verfügung, der Bilder in 4096 Farben untersteutzte. Mit Subventionen des ÖKS entwickelte BLIX im August 1985 die erste Nummer von KUNST BTX. Das Projekt wurde fortgeführt bis ende 1986 wenn das ÖKS die Unterstützung für Kunstprojekte einstellte. Die österreichische Post hat übrigens niemals irgendeine Form der Unterstützung für Kunstprojekte angeboten, im Gegenteil sie stand jeder kreativen Nutzung von BTX ausgesprochen feindlich gegenüber - was wahrscheinlich einer der Hauptgründe dafür war, dass BTX zu einem Flop geworden ist.
PLANETARY NETWORK war Teil des Laboratorio Ubiqua bei der Biennale Venedig, 1986. Unter den Kuratoren Roy Ascott, Tom Sherman, Don Foresta und Tomaso Trini zog PLANETARY NETWORK eine Bilanz aller Low Tech Telekommunikationsprojekte, die seit 1979 von Künstlern entwickelt worden waren. Ich organisierte das zugrundeliegende Netz auf ARTEX - zum letzten Mal und tatsächlich war PLANETARY NETWORK auch das letzte wirklich umfassende globale On Line - Multimedia-Projekt. Die Vernetzung von PCs in Bulletin Boards und der Siegeszug des FAX und anderer Telefonperipherien in Büros und Wohnzimmern hat ARTEX und ander weltumspannende Telekommunikationsprojekte überflüssig gemacht. Auch für BLIX war PLANETARY NETWORK das letzte Projekt. Die Gruppe löste sich langsam auf, nachdem das ÖKS seine Förderungspolitik geändert und das ÖKS Studio geschlossen hatte.
Die Pionierzeiten waren vorbei ... |