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Rosemarie Burgstaller, Crossover III: Fotografie - Medienkunst; alien productions & Machfeld Cross Talk

Rezension der Ausstellung in der Fotogalerie Wien, 19. Dezember 2006 - 29. Jänner 2007


eikon 57 coverDie Möglichkeiten der Fotografie haben sich im Zeitalter der elektronischen und digitalen Medien, wie allerorts feststellbar ist, um einiges vervielfacht. In der digitalen Landschaft der Gegenwart bewegt sich die Fotografie in ebenso mehrdimensionalen wie auch diskursiven Allianzen mit den Computertechnologien. Längst hat sie schon eine eigene Bilderwelt zwischen Realität und Virtualität abgesteckt. Junge FotografInnen der Gegenwart agieren sehr polyvalent, so Jean-Luc Monterosso, Direktor des Maison Européene de la Photographie in Paris: „Er[/Sie] greift zu allen ihm[/ihr] zur Verfügung stehenden Mitteln - Video, Digitalkunst - und integriert Ansätze aus dem Kino und der plastischen Kunst.“ |1| Manifestationen dieser inter- und transdisziplinären Entgrenzungen der Fotografie machte die Fotogalerie Wien mit einer mehrteiligen Ausstellungsreihe im vergangenen Jahr zum Thema. Nach Film und Malerei widmete man sich im dritten Teil dem CROSSOVER von Fotografie und Medienkunst.

Vor dem angedeuteten Hintergrund allerorts vorhandener heterogener Schichtungen künstlerischer Praktiken sowie komplexer Interaktionen unterschiedlichster, wissenschaftlicher Disziplinen und der damit verbundenen Umcodierung tradierter, gesellschaftlicher Vorstellungsbilder erhält der Ansatz, aktuelle interdisziplinäre Kunstpositionen wieder in differenzierende Gattungskomponenten zu gliedern, per se einen laborhaften Charakter. Es ist ein gängiger Diskurs in der Fotografie, deren mediale Übersetzungen und kunstimmanente Überschreitungen im Sinne von Erweiterungen des (klassischen) Gattungsbegriffs zu thematisieren. Mit einer hypothetischen Kontraststellung zur aktuellen Medienkunst kann allerdings die Fotografie mitunter auch in Zugzwang geraten.

Das gemeinsame Ausstellungsprojekt der beiden KünstlerInnenkollektive alien productions (Martin Breindl, Norbert Math, Andrea Sodomka) und Machfeld (Sabine Maier & Michael Mastrototaro) führt in die Welt der computergesteuerten Gerätschaften, digital generierten Bildmodule und bearbeiteten Soundpakete, welche dazu einladen, sich aus der Welt der Medienkunst heraus auch die Fotografie als Geschichte zu imaginieren. In drei Räumen der Fotogalerie Wien ordnen sich die drei Installationen drei Wahrnehmungsfeldern, nämlich Bild, Text und Sound, zu. Im Mittelpunkt und im großen Ausstellungsraum steht das Bild: Mirrored. Das projizierte Wechselspiel zwischen getapten Außenraumfahrten und dem überlagerten, virtuellen Innenraum (der Fotogalerie Wien) eröffnet sich gewissermaßen durch die mitten im realen Raum aufgebaute Spiegelkonstruktion. Diese gibt bei fachgerechtem Anlegen der Nase an den Spiegel den Blick frei ins Dreidimensionale einer stereoskopischen Wahrnehmung der Bilderprojektionen. Im kleinen Ausstellungsraum dagegen rattern Nadeldrucker einer frühen Generation am Tropf von Computern. Es scheint, als ob sich diese miteinander unterhalten würden, tatsächlich reagieren sie auf die elektronischen Signale von aufgenommenem und in das Netzwerk gespeistem „Smalltalk“. Spielerisch verfremdet drucken diese Drucker nicht mehr den Text, sondern „sprechen“ ihn in Form einer Performance. Im Kino hört man „Horse & Hound“ von Machfeld, Sequenzen aus einem Western als Hörspiel der Geräusche zwischen weiteren in den vergangenen Jahren großteils unter dem Label alien productions entstandenen Soundscapes. Alle drei Projekte funktionieren im Zusammenwirken der neuen, digitalen Medien mit den alten analogen oder eben deren Zitaten, was der stereoskopische Apparat in „Mirrored“ exemplarisch vorführt. Dessen Präsenz beschreibt den gesamten Raum als eine begehbare Simulation des Prinzips einer Kamera. Es gilt, die fotografische Bildproduktion gleichermaßen als Reminiszenz an Historisches wie als Optionales ihrer Weiterführung zu verorten. Denn während die Speichersysteme für ganze Bild-Archive auf Hosentaschenformat zusammenschrumpfen, steigert sich die symbolische Bedeutung der alten Medien. Vor der Folie ihres sukzessiven Verschwindens aus der Alltagskultur akkumulieren diese eine neue Strahlkraft.

Die ursprünglich so faszinierende, zugleich aber triviale Vorstellung von Fotografie als Abbild der Realität taucht in den Arbeiten da am deutlichsten auf, wo Ausgespartes bildhaft wird oder quasi ein Negativ in den Vordergrund tritt, wie in den fünf aufgeführten Westernkapiteln von Machfeld. Das große Vorbild dieser Arbeit, das erste, durch Walter Ruttmann aufgenommene Hörspiel, „Weekend“ (1930), hatte dieser als „fotografisches Hörspiel“ |2| bezeichnet - es war durch die Bearbeitung der Lichttonspur von Filmmaterial produziert worden. „Horse & Hound“ konzentriert sich auf die Geräusche eines Films - das dumpfe Klackern der Stiefel auf dem staubigen Bretterboden, das verhaltene Einschnappen des Revolvers und die in der Ferne davongaloppierenden Pferde. Weder sind die Dialoge der Schauspieler zu hören, noch die Bilder auf der Leinwand zu sehen. Gerät man in diese Soundkulisse, hat man dennoch eine Geschichte bildhaft vor Augen. Es ist auch das Imaginative, das die alten Medien und die mechanisch produzierten Bilder des Realen begleitet und uns vielleicht besonders daran beeindruckt. Mit dem wachen Blick auf permanent wachsende visuelle Speicherraten und Umladekapazitäten nimmt die Ausstellung Kurs auf Entschleunigung und legt einen beruhigten Blick durch das Objektiv einer Kamera angenehm nahe.


1 |    Jean-Luc Monterosso im Gespräch mit Heinz-Norbert Jocks, Das Ende der Fotografie, in: Kunstforum International, Bd. 172, September/Oktober 2004, S. 180.

2 |    Walter Ruttmann, Weekend, in: Film-Kurier, Berlin, 15. Februar 1930; zitiert in: R. Horak, alien productions & Machfeld. Cross Talk, Ausstellungsbroschüre, Fotogalerie Wien 2006.


Dieser Text erschien in: EIKON, internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst, Heft 57, März 2007, S. 70f.

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