Indem die "Malkunst" den Prozess der Herstellung eines Bildes im Bild zeigt, handelt es sich zunächst um die Darstellung der "Malerei", gleichzeitig aber auch um einen Ausdruck deren Lösung aus der handwerklichen Bindung sowie ihres neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Ranges.
Das Bild fasst die Bestrebungen der Malerei zusammen, autonome, "freie" Kunst zu werden und ist zugleich schon dessen Sinnbild. Mit dem Verweis auf die Geschichtsschreibung zeigt Vermeer, wie diese in und durch das Medium der Malerei, seine formalen wie intellektuellen Darstellungstechniken ebenso tradiert wird wie durch das Wort. Geschichte, so argumentiert Vermeer in diesem Bild, wird erst durch ihre Erzählung oder Darstellung als Geschichte greifbar. Und die Malerei steht im Zentrum dieser Vermittlung.
Durch die zahlreichen Hinweise auf Künste und Handwerke präsentiert das Bild jedoch einen umfangreichen Ausschnitt der zeitgenössischen Gesellschaftsstruktur und ihrer Kultur: es definiert den Umfang der erzählenswerten Geschichte, dessen, was eines Bildes sozusagen würdig ist, ausschliesslich durch kulturelle Leistungen, nicht durch kriegerische Handlungen - es sind keine Waffen oder Verweise auf Schlachten im Bild vorhanden. Insofern ist "Die Malkunst" ein politisches Bild: es skizziert eine Auffassung der Geschichte und Kultur, die wir als humanistisch zu bezeichnen gewöhnt sind. |