DER MALER

Die Darstellung des Malers in Rückenansicht hat viele Fragen aufgeworfen. Indem er bei der Ausübung seiner Tätigkeit dargestellt wird, kann diese jedoch als Darstellung der neuerworbenen Stellung des Künstlers gedeutet werden: dieser hat sich seit der Renaissance zunehmend aus der Organisation der Handwerke gelöst und ist durch das Studium der Kunstgeschichte und vor allem der Regeln der Malerei, d. h. von Kunsttheorie, zu einem Ausübenden der "artes liberales", der freien Künste, geworden.

Seit der Einführung des leicht transportierbaren Tafelbildes hat sich die Malerei zudem ein immer grösser werdendes ökonomisches Feld eröffnet und sich dadurch zum Teil vom Mäzenatentum und der Feudalstruktur des Mittelalters gelöst, ohne sich vollständig aus seiner alten Bindung an die Zünfte zu befreien.

Die Rückenansicht lässt sich als Metapher für diese Zwischenstellung deuten, die "Malkunst" als eine Argumentation für die Möglichkeiten und Qualitäten der Malerei. Diese wird als führende Kunst darstellungswürdig; der Maler selbst bleibt dabei noch im Hintergrund.

Es handelt sich also weniger um ein Selbstbildnis, als dass es ein Sinnbild für den Berufsstand Vermeers darstellt: ein Bildnis der Malerei.