DIE MACHT DES SAMMLERS

Kommentar von Reinhard Braun


Im Hintergrund der "Erzählung", die durch dieses Projekt zu entwickeln versucht wird, steht quasi unausgesprochen die Figur des "Sammlers". Wenn im Zusammenhang mit dem Begriff des Museums mehrfach davon die Rede ist, in welcher Form es einen Zugriff auf die Welt der Dinge als Vergegenständlichung von kulturellen Werten darstellt, so gilt dies in noch viel höherem Ausmass für die "Tätigkeit" des Sammelns.

Sammeln heisst ebenso, auf die Welt zuzugreifen, eine Ordnung zu errichten und zugleich Ordnungen zu reproduzieren, indem bestimmten Wertvorstellungen gefolgt wird, indem bestimmten Vorstellungen im Rahmen bestimmter Wertsysteme gefolgt wird.

Sammeln heisst aber auch, noch viel weitreichender innerhalb kultureller Werte und Hierarchien zu operieren: Sammeln heisst, die Möglichkeit zu besitzen, innerhalb eines symbolischen kulturellen Überschusses zu operieren, heisst, in der Lage zu sein, kulturelle Werte mitzubestimmen, zu verfestigen, zu erneuern oder zu etablieren.

Sammlungen sind exponierte Zeichensetzungen kultureller Wertigkeiten. Solche Wertigkeiten weisen aber und vor allem auch auf die kulturelle Position des Sammelnden selbst. Nicht allein, dass im Zusammenhang mit der Sammeltätigkeit Fragen der Macht, der sozialen Stellung und des Einflusses virulent werden, wie sie im Zusammenhang mit der "Führersammlung" Adolf Hitlers aber auch der Sammlung Hermann Görings offensichtlich sind - Sammeln (von Kunst) ist prinzipiell an der Schnittstelle von kultureller Vormachtstellung und damit verbundener Möglichkeiten, in die Reproduktion von Kultur einzugreifen angesiedelt.

Wenn etwa Hermann Göring sich als "Renaissancetyp" bezeichnet, dann zielt er gerade auf die soziale Stellung jener Fürsten und ersten Bankiers ab, die sozusagen über ihre "Förderung" der Kunst bzw. der Aneignung von Kunst in der Lage waren, eine ganze Kulturform zu prägen. Es geht vor allem um diese Vormachtstellung innerhalb von Kultur, um die Etablierung einer hegemonialen Repräsentationsstruktur, auf die sich dieser Ausspruch bezieht. Er verdeutlicht gleichzeitig, dass "Kunst dem Volk" wohl nur als Lippenbekenntnis zur ideologischen Relativierung dieser Hegemonie zu verstehen ist.

Tatsächlich wurde der gesamte Parteiapparat - der praktisch ident mit der Verwaltung und der Kontrolle des Staates war - herangezogen, um mittels Kunstsammlungen unmittelbar die kulturelle Repräsentation an sich zu reissen - das Führermuseum und Carinhall stellen auf symbolischer Ebene mehr als nur die Träume grössenwahnsinniger Autokraten dar: sie sind als Zentren der symbolischen Reproduktion und Identifiziereung eines kulturellen Selbstverständnisses zu deuten, wie immer vermittelt sich dieses auch gebildet haben mag.

Grundlage dieses Selbstverständisses aber bildet die Sammeltätigkeit als ein emineter Ausdruck jener Macht, mit Kultur zu operieren, sie zu unterwerfen, neu zu organisieren, in Teilen auszulöschen und quasi als Projektion neu zu installieren - als Projektion eines Individuums, das sich eines Umstandes gewiss sein darf: seiner Macht.

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