EMIL DOVIFAT:
Zeitungslehre, Berlin 1937



In den grossen Blütezeiten kulturellen Lebens war die Verbindung von Kunst und Volkstum so eng, war der Kunst selbst eine so hohe Bedeutung gegeben, dass die Vermittlung und Wertung nur im grossen und weihevollen Stil des Kunstwerks selbst erfolgen konnte. (...) An "Kunstkritik" im liberalen Sinn, d. h. an eine Wertung des grossen Gemeinschaftswerkes Kunst aus krass individuellen Masstäben dachte damals niemand. (...) In allem blieb das Kunstwerk, sei es bildender oder darstellender Natur, der Gemeinschaft so eng verhaftet, dass nur aus ihr heraus die Wertung erfolgte. (...)

Das wurde anders, seit sich das Kunstwerk von seiner Gemeinschaft mehr und mehr abtrennte und im Endpunkt dieser Entwicklung eine Kunstgattung entstand, die nur auf begrenzte Kreise von Besitz und Bildung abzielte, immer volksferner wurde, und schliesslich, im Ausgang des 19. Jahrhunderts, ihre Bedeutung in sich selber suchte. (L'art pour l'art.) Entsprechend entstand eine nach gleichen, begrenzt-individuellen Gesetzen wertende Kritik, die wie die Bezeichung "la critique" aus Frankreich stammt.

Mit dem aufkommenden Naturalismus setzt dann die absolut subjektive, krass individualisierende Kritik ein. Sie blieb zwar nie ohne schärfste, entscholssenste Gegenbewegungen in nationalen oder religiös bestimmten Gruppen Deutschlands, wird aber für die Epoche 1890-1933 typisch. An damaligen Berliner, vornehmlich jüdischen Beispielen geschult, wird sie in vielen Zeitungen des Reichs nachgeahmt. (...) Diese Kritik hat, wie heute klar erkannt wird, das Aufwachen eines volks- und lebensfremden Kunsttyps gefördert. Sie wäre für die grosse Öffentlichkeit belanglos gewesen, hätte sie nicht das Werden echter Volkskunst hintangehalten, indem sie Masstäbe als berechtigt und führend anpries, die, volksgefährdend wie sie waren, es nie hätten sein dürfen.

Der Nationalsozialismus lehnte in seinem Kampf gegen den volksfremden Individualismus lieberalistischer Geisteshaltung von vornherein die "Ich-Tyrranei des Kritikers" ab. An die Stelle des "Ichmasstabs" der Kritik setzt er die Beziehung des Kunstwerkes zur Gemeinschaft als dessen einzigen Masstab. Das ästhetische und erst recht das persönliche Urteil des Kritikers sollte danach ausgerichtet sein. Er sollte nicht sezieren und examinieren in einem unberufenen Richtertum, sondern deuten, fördern und vor allem "den Werdenden den Weg frei machen" (Goebbels), ihnen Mahner und Berater sein.

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