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Martin Breindl,
FOLDING SPACE. AND BEYOND

Kunstradios on air - on line - on site Projekte,
ein Erfahrungsbericht

frakcija 45-46

Die englische und kroatische Übersetzung des Textes erschien in frakcija # 45-46 performing arts journal, Zagreb, 2008;

Herausgeberin: Ivana Ivkovic;

mit Beiträgen von Martin Breindl, Frances Dyson, Rubén Gallo, Douglas Kahn, Nikica Klobučar, Mario Kovač, Ray Lee, LIGNA, Lala Raščić, Christine Standfest, Allen S. Weiss und Louise K Wilson.

[2006] Manchmal geschieht es, dass man bei aktuellen Projekten aufhorcht: unvermutet ist ein Fragment eines Klanges aufgetaucht, der vor zehn Jahren oder mehr bei einem ganz anderen Projekt ins Netz eingespeist wurde und diffundiert ist. Plötzlich ist er wieder da, transformiert und mutiert, manchmal bis zur Unkenntlichkeit verändert. Aber er ist nicht verschwunden. Er kann gar nicht verschwinden, denn das Netz ist tatsächlich ein Netz, das alles, was in es hineinfällt, auffängt.

[1997. Lo-Res vs. Hi-Fi] Jeder \künstlerische\ Akt im Netz ist eine offene Handlung, ein nicht abgeschlossener Satz, der – einmal plaziert – ein Eigenleben gewinnt, sich verändert, ausbreitet, andere Formen annimmt, jedoch auch nie verloren geht. Das Netz ist kein Substantiv, sondern ein Verb – etwas Lebendiges, das grundsätzlich und ursächlich immer „in Beziehung setzt“ und dadurch ein neues Verständnis von Identität evoziert: Identität ist nicht das Werk, das bereits geschaffen wurde und somit statisch ist, sondern die Idee, die in das Netz eingespeist und durch das Netz verändert wird. 1|

[1997. Recycling the Future] KLANGMIGRATION. Klänge tauchen an anderen Orten wieder auf, zeitgleich oder zeitversetzt, werden weiterverarbeitet, Werke sind in ständiger Bewegung. Jedes Klangereignis, das online losgelassen wird, existiert im Netz weiter, geht über verschiedenste Kanäle, wird von anderen aufgenommen, wieder zurückgespeist, verändert sich, kein Ereignis im Netz geht je verloren. Daten gehen auf Wanderschaft. 2|

Das (Wieder-)Auftauchen von Sounds, Klangfragmenten, Aktionspartikeln könnte ein Zeichen dafür sein, dass wir uns nach wie vor in dem selben Raum bewegen wie damals – einem Raum, konstruiert aus den Vektoren: on air, on line und on site.

[2006. reboot] Dies wäre der letzte Satz gewesen, die Quintessenz einer linearen Beschreibung einer Reihe von Projekten, deren Entwicklung 1994, bald nach der Publikation des WorldWideWeb (= nachdem ein Teil des sog. Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war), begann und später unter dem Terminus _on air - on line - on site Projekte_ zusammengefasst werden sollten.

Doch rückblickend bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob es tatsächlich der selbe Raum ist, in dem wir uns bewegen. Mehr und mehr scheint er sich zu entziehen, unscharf zu werden, irreal. Sogar die vorgestellten Formen von Raum verlieren sich. Immer öfter bezweifle ich, dass man überhaupt noch von „Raum“ sprechen kann. Könnte es sein, dass wir die Fähigkeit, den Raum zu falten [„the ability to fold space“ 3|] so weit verfeinert hätten, dass wir ihn selbst endgültig zum Verschwinden gebracht hätten?

[1994. Zeitgleich] (eine Vorahnung:) Das Paradigma des reinen (absolutum = 'gewaschen') und zugleich verunreinigten Raumes (wie wäre er sonst erkennbar?) mündet in der These, daß Information vor dem Hintergrund (Sonnenstäubchen) des weißen Rauschens erscheint. Der Prozeß der Digitalisierung ist nichts anderes als ein geschicktes und an-scheinend endgültiges Verdrängen des Hintergrundes. Information wird so grob aufgerastert, daß der Staub verschwindet. Mit dem Schmutz verschwindet natürlich auch der Raum und mit ihm der Gegenstand, der nichts als seinen Fingerabdruck (impronta digitale) hinterläßt. 4|

Unser Raumempfinden ist analog. Wir tendieren dazu, Räume mittels Zeit zu (ver)messen und zu definieren. Die Distanz zwischen zwei Punkten wird analog zur (gedachten) Dauer begriffen, die wir benötigen, um die Strecke dazwischen zurückzulegen (und vice versa). Wir können nun den Raum verkleinern, einerseits indem wir unsere eigene Bewegungsgeschwindigkeit erhöhen – etwa durch Eisenbahnen, Autos, Flugzeuge oder Raumschiffe (industrieller Raum) –, andererseits indem wir Übertragungs- und Kommunikationsmedien benutzen: Telefon, Telefax, Radio oder Fernsehen (elektronischer Raum).

Zweiteren (also den elektronischen Raum) machen sich Radio- und Telekommunikationskunst zunutze. Indem sie Übertragungs- überdies mit Aufzeichnungsverfahren kombinieren, schaffen sie eine Erweiterung und Transzendierung des Raums. Dieser wird sozusagen „gefaltet“. Vor allem Telekommunikationskunst findet im Eigentlichen in einer Art „dritten Raum“ statt, der zwischen den Protagonisten und ihren Maschinen entsteht. „Der Raum entsteht, wenn man das System einschaltet. Nehmen wir zwei Telefonleitungen und bauen eine Maschine zusammen. Und was passiert dann zwischen uns? Ist die Maschine an, ist der Raum da. Was dann zwischen zwei Künstlern passiert, ist eine Skulptur. Wenn die Maschine ausgeschaltet ist, ist es weg, ist kein Objekt mehr da.“ 5|

Robert Adrian X hat seit Beginn der 1990er Jahre den Begriff „The Art of Being Everywhere“ geprägt und es ist kein Wunder, dass der Wunsch „überall zu sein“ (und das gleichzeitig) parallel zur der Entwicklung von digitalen Technologien und vor allem auch von Netzwerken, die (technisch gesehen) auf diesen digitalen Technologien beruhen, formuliert wird. Im analogen Raum ist es nämlich schlichtweg unmöglich, überall zu sein.

Dafür muss die auf Abgrenzung basierende Stabilität von Räumen/Orten/Situationen aufgelöst werden. Sie wird in dem Moment aufgelöst, wenn „on site“ (der sog. „Realraum“), „on air“ (der sog. „elektronische Raum“) und „on line“ (der sog. „vernetzte Raum“) ineinander verschwimmen. Die Unterscheidung zwischen Realität und Virtualität muss bröckeln, muss verschwinden. Überall zu sein bedeutet, zugleich nirgendwo zu sein.

[State of Transition] steht als Projekt gewissermaßen an der Schwelle der Auflösung von Raum. Technologisch gesehen ist es eigentlich noch der „alten“ Telematischen Kunst zuzuordnen. Zur Verwendung kam hauptsächlich MIDI-gesteuertes Instrumentarium, über Telefonleitungen verbunden. Jedoch gab es bereits einen offenen Zugang für WWW-UserInnen: durch Aufrufen/Klicken einzelner Seiten aus einem umfangreichen Hypertext über Migration [on line] konnte weltweit jede/r UserIn Klangereignisse an den Veranstaltungsorten [on site] auslösen, die wiederum live auf Ö1 Kunstradio [on air] übertragen wurden. Die Performance fand also tatsächlich bereits in einer Verschränkung aller dieser verschiedenen Orte/Räume statt.

[1994. State of Transition] ist ein telematisches hyper radio-environment; das unter Einsatz der Schlüsseltechnologien von Telekommunikation und Telepräsenz eine Versuchsanordnung für die Auseinandersetzung mit der Instabilität der klassischen Raum-Zeit-Ordnung ist. Unser lnteresse gilt dabei dem Übergangsstadium, dem Prozeß der Überlagerung, in dem die Identität der Orte zu oszillieren beginnt, interferent wird. 6|

Darüberhinaus schuf State of Transition mit seinem Grundthema: Migration einen Topos, der sich als roter Faden bis heute durch alle diese Projekte zieht.

[1994. State of Transition] Migrationsbewegungen, Verkehrswege, Einwanderungsquoten, Transiträume, Grenzüberschreitungen und Übergangsstadien aller Art sind Thema und Struktur dieses Live-Radio Events. Der geschäftsmäßigen Euphorie, mit der die Welt im grenzüberschreitenden Datenverkehr zum globalen Dorf illusioniert wird, steht die gesellschaftspolitische Realität immer strikterer Einwanderungs- und Flüchtlingsquotenregelungen gegenüber, die physische Grenzen immer deutlicher und unüberwindbarer ziehen. Dem soll nicht länger unwidersprochen bleiben. 7|

Dieser Idee folgend sind die Struktur und Organisationsprinzipien von State of Transition aus den verschiedenen Formen von Migration abgeleitet. Die gestalterische Strategie dieser Arbeit basiert auf der Unmittelbarkeit wechselseitiger Intervention. Die an den Ausgangsorten vorhandenen Resourcen an Bild- Ton- Text- etc- Material werden über Radioleitungen, Bildtelefone, Datenleitungen, Internet vernetzt und zugänglich gemacht. 8|

Im Konzept von State of Transition wurden die Positionen von Kunstwerk und KünstlerIn „rekonfiguriert“:

[1994. State of Transition] In weiterer Folge wird nicht nur das Material, sondern auch dessen Verknüpfungen und die Konfiguration des Netzwerkes selbst zum Spielball des gemeinsamen Agierens. Die so entstehende Hyper Media Datenbank wird zur eigentlichen Bühne des Projektes. Die Rolle der beteiligten Künstler ist somit die von Netzwerkadministratoren. Nicht Schöpfer, sondern Verwalter und Distributoren der in der Netzwerkkonfiguration zirkulierenden Datenströme. 9|

Durch die etwa im Jahresabstand folgenden, von ORF Kunstradio in Zusammenarbeit und nach Ideen einer rasch wachsenden Zahl von KünstlerInnen initiierten Projekte wurde dieser – im Jahr 1994 noch relativ utopische Anspruch – tatsächlich mehr und mehr eingelöst. Die Entwicklung fand jedoch nicht linear statt; und sie war natürlich auch geprägt durch die Auseinandersetzung mit den rasanten technologischen Entwicklungen der nächsten fünf Jahre. Die Nutzung und gleichzeitige Hinterfragung von Schlüsseltechnologien (die sich damals zum Großteil selbst in Entwicklung befanden) wurde zu einem wesentlich gestaltenden Movens des Agierens. Die Technologien selbst wurden zu künstlerischen Vehikeln, mit denen der neue „Raum“ (sofern man von einem sprechen kann) nach und nach erobert wurde.

[1995. Horizontal Radio] fand bereits auf der Plattform „Kunstradio Online“statt (1995 gegründet) und vernetzte 24 Stunden lang zahlreiche Radiostationen (von staatlich-rechtlichen Stationen über private und Collegesender bis hin zu Piratenradios), Internetserver, Telefonverbindungen und Aufführungsorte weltweit. Es gab zum ersten Mal tatsächlich kein Zentrum mehr, sondern jede/r Beteiligte war SenderIn und EmpfängerIn zugleich.

Mit Horizontal Radio rückte ein wesentlicher Aspekt solcher Projekte unausweichlich in den Fokus und musste von KünstlerInnen und anderen beteiligten Personen in der Gestaltung bedacht werden: Die Gesamtgestalt des Projekts in seiner vielfältigen Vernetzung kann in seiner Gänze von niemandem (auch von den gestaltenden KünstlerInnen) mehr wahrgenommen und dadurch auch nicht mehr kontrolliert werden. Aktion und Rezeption kann gleichermassen nur noch fragmentarisch erfolgen. KünstlerInnen müssen lernen, Kontrolle abzugeben und sich auf die Gestaltung guter Netzwerkkonfigurationen konzentrieren.

Heidi Grundmann thematisiert in ihrem Bericht über Honrizontal Radio jedoch auch noch einen ganz wesentlichen Aspekt an solchen Situationen, der sich allmählich, aber umso unausweichlicher herauszukristallisieren begann:

[1995. Horizontal Radio] With HORIZONTAL RADIO a 24 hour period had been given as the framework in which radiostations transmitted and received by whatever lines they could technically and financially muster. The 24 hours were also the framework for live performances and installations with or without live audiences in a physical space and they were the framework for Internet activities. In the meantime it has become apparent, though, that the project did not stop at noon on the 23rd of June. The performances and installations are gone, true, but radiostations keep on broadcasting bits and pieces from HORIZONTAL RADIO and though some of the servers active during the project seem to be inactive now, others go on (REAL AUDIO Server) and some of the online projects have been revived.

A project like HORIZONTAL RADIO amassed so many data that an image of our changed relationship to data/information developed. It became clear that metaphors like speed - let alone infobahn etc. - belong to the past, do not apply. Instead one got the image of a geometry in which each place is of equal distance and in which data is not located at any specific place but floating. It is either there or not there, the users/listeners are either in it/with it or out of it. On or Off. Nothing in between. The passage from being without to being within the domaine of information is abrupt, sudden, complete. Once you are in, you are.... everywhere. 10|

[2006. reboot 2] Tatsächlich haben wir hier bereits den analogen Raum verlassen, ewas, das in der telematischen Kunst zwar latent vorhanden (und thematisiert) war, jedoch nie realisiert werden konnte. Heidi Grundmanns Beobachtungen, dass es keine Passage mehr gäbe, keinen Raum zwischen „draußen“ und „drinnen“, und dass es keine fixen Orte mehr gäbe, ist völlig präzise. „Drinnen“ ist kein Raum in dem uns vorstellbaren Sinn. Es gibt keine Orte, keine Wege, keine Zeit mit der man Distanzen messen könnte. Es gibt auch keine Information, sondern bloss Daten. Information entsteht erst, wenn Daten nach „draußen“ gefiltert („gerendert“) werden.

Obwohl das Netzwerk bei solchen Projekten üblicherweise unter Zuhilfenahme von Weltkarten dargestellt wird, auf der die collaborierenden Knoten (oder Orte) eigezeichnet sind, ist dieses Bild irreführend und schlichtweg falsch. Im Netzwerk selbst gibt es keine Distanz und es macht keinen Unterschied mehr, ob zwei kommunizierde Maschinen nebeneinander stehen oder auf verschiedenen Kontinenten.

Und die zweite (ungeheuerliche) Beobachtung - die in den folgenden Projekten noch viel stärker spürbar wurde -: dass das Projekt nicht zu Ende war, als es eigentlich zu Ende war, sondern quasi ein „Eigenleben“ entwickelte, überrascht nur auf den ersten Blick. Selbst wenn die Maschinen ausgeschaltet werden, bleiben die „Objekte“ vorhanden, denn das Netz, indem sie (immateriell) „hängen“, kann nicht ausgeschaltet werden. Das Netz ist ein distribuiertes (und vor allem distribuierendes) System und zudem definiert es sich nicht aus den Maschinen, die darin versammelt sind.

[1996. Rivers&Bridges] war das direkte Nachfolgeprojekt von Horizontal Radio und brachte den erstmaligen Einsatz von Live-Streaming-Technologien (Real Audio Live). Das kann in dem Sinn als weiterer wesentlicher Schritt gesehen werden, weil diese Technologie prinzipiell Unabhängigkeit von komplexen technischen Sendeanstalten (wie öffentlich-rechtlichen Radiostationen) schuf, indem sie es ermöglichte, von jedem Ort mit Internetanschluss weltweit live zu „senden“ - und zwar unabhängig von Sendezeiten, hierarchisch geprägten Produktions- und Distributionsmechanismen und technischen Möglichkeiten.

Dies führte zur Verlagerung der Produktionsstruktur hin zu einem verstärkten Wissentransfer zwischen Beteiligten (öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, unabhängige Institutionen, (Klein-)ProduzentInnen, etc.), wo versucht wurde, gemeinsam an gleichberechtigten Vernetzungsmodellen zu arbeiten und diese in der Praxis zu erproben. [1997. Recycling the Future] im Hybrid Workspace auf der documenta X in Kassel kann durchaus als zehntägige Versuchsanordnung betrachtet werden, in der ein solches Modell in all seinen Variationen tatsächlich künstlerisch und technisch experimentell erprobt wurde – ein Modell, das mittlerweile zum täglichen Standard von Rundfunkarbeit geworden ist.

[1998. Immersive Sound] Black box (engl.: "schwarzer Kasten (des Zauberers)"): Teil eines > kybernetischen Systems, dessen Aufbau u. innerer Ablauf aus den Reaktionen auf eingegebene Signale erst erschlossen werden muss. [...]

Die Black Box ist jener Teil der Kommunikationskette, in der die Verarbeitung, das Prozessieren eingegangener Information geschieht, bevor sie wieder ausgegeben wird. Sie ist eine Box, weil sie ein in sich logisches System darstellt, und schwarz, weil ihre innere Struktur nicht wahrnehmbar ist. [...] Je komplexer die prozessualen Vorgänge im Inneren der Box werden, desto unmöglicher wird die Erschliessung ihres Aufbaus.

Ein immer grösserer Teil unserer Welt wird aufgenommen / gescannt / digitalisiert / codiert / übertragen / prozessiert / .... Die Eigentlichkeit (d. h. das, was unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt) verlagert sich mehr und mehr auf die Billionen von Siliziumchips, Schaltkreisen und Datenleitungen der Computernetzwerke. [...]

Die Welt verschwindet im schwarzen Kasten des Zauberers. 11|

[1998. Immersive Sound] und noch viel radikaler [1999. Sound Drifting] brachte eine weitere Entwicklung mit sich, nämlich die allmähliche Abkehr von der performativen hin zur installativen Form, in der nicht mehr KünstlerInnen die grundlegenden Handlungsträger sind, sondern Automaten. Die „gestaltenden Prozesse“ werden weitgehend von generativen Programmen übernommen, die beteiligten KünstlerInnen fungieren einerseits als ZuträgerInnen von Material, andererseits eben als „Verwalter und Distributoren“ der zirkulierenden Datenströme.

[Sound Difting, I Silenzi parlano tra loro] definierte sich selbst als „interdependent temporary system of 16 international remote sub-projects, which used a wide range of methods and approaches to the generation, processing and presentation of data/sounds/images to form a nine-day long continuous on line - on site - on air sound installation on the occasion of the ars electronica festival'99“. 12| Und wirklich wurden von den daran beteiligten KünstlerInnen/gruppen auch beinahe ausschließlich automatisierte bzw. generative Soundfeeds entworfen, von offenen Mikrofonen bis hin zu automatischen Sound-Softwares, die die Klänge produzierten, die ins System gefüttert wurden.

Die „Komposition“ (ein in diesem Fall natürlich unscharfer Ausdruck) übernahm aber ein Programm:

[1999. Sound Drifting] The ‘Sound Drifter’ [ein eigens für diese Installation entwickeltes generatives Programm, Anm.] was the actual composer of the pieces, the role of the artists was simply that of compiler, mediator and/or distributor. Inverting the role of human and machine, they merged with the machines like cyborgs, processing and distributing material, as elements in a generative system.

Sound Drifting was also on air as an eight hour live radio installation [...]. The radio version was again a collaboration of humans and machines that tried to change - or at least to restructure - the hierarchies of human-machine interaction. The radio work itself was composed by the Radio Drifter which allowed the various artists to make simple adjustments to the sound parameters. This proved to be a major challenge for the human participants, who often surrendered to the urge to wrest control from the machine and re-establish the traditional hierarchies. This was a perfect demonstration of an issue that is becoming more and more important - and that was also one of the main topics of Sound Drifting: control sharing. 13|

Zwei (unvorhersehbare) Entwicklungen hatten mit Sound Drifting ihren Abschluss gefunden: erstens, dass Control-Sharing zwischen KünstlerInnen, TechnikerInnen und UserInnen nicht genügt, sondern dass es auf Maschinen, Programme und Automatisierungsprozesse erweitert werden muss, also dass man lernen muss, tatsächlich mit Maschinen zusammenzuarbeiten. Dabei geht es weder um Glorifizierung von Maschinen noch darum, menschliche Handlungsweisen maschinell nachzuahmen, sondern um einen „partnerschaftlichen Prozess“, der aus den Unvollkommenheiten beider (der Menschen und der Maschinen) schöpft und sie verknüpft.

Und zweitens, dass sich on air - on line - on site Projekte von ursprünglich performativen hin zu installativen Formen entwickelt hatten; oder, besser und genauer ausgedrückt: die eigentliche Form (sofern man von einer solchen überhaupt noch sprechen kann) eines derartigen Projekts ist eine in sich dynamische Installation, die nicht wahrnehmbar ist; die Performanz besteht darin, dass von Zeit zu Zeit [von KünstlerInnen, TechnikerInnen, Maschinen oder Programmen] eine wahrnehmbare Manifestation dieser Installation quasi „gerendert“ wird. Der Unterschied zu früher ist, dass diese „Installation“ nicht nur metaphorisch existiert, sondern tatsächlich – physikalisch-technisch real.

Als Künstler, der einige dieser Projekte aktiv mitgestaltet hat und an anderen teilgenommen hat, sehe ich so etwas wie eine (nicht lineare) „Entwicklung“, die mit State of Transition begonnen hat und mit Sound Drifting zu Ende war: allesamt Projekte, in deren Zentrum die Schaffung einer verschränkten on air – on line – on site Situation als solche war, dem unterzuordnen alle anderen (künstlerischen) Teilaspekte waren. Sound Drifting war das beeindruckendste und vielleicht „gelungenste“ Projekt, das alle Konzepte, Gedanken und Pläne gewissermassen einlöste und dies in all seinen Facetten auch wahrnehmbar machte.

Projekte, die in Folge realisiert wurden, (wie etwa [2002. Devolve Into II] oder [2002. Open Air. A Radiotopia], um nur zwei zu nennen) lassen meines Ermessens diese Entwicklungsstufe schon wieder hinter sich. Das Schaffen einer verschränkten Situation als solche ist nicht mehr von Interesse, sondern im Gegenteil: die Situation wird „selbstverständlich“ als Form verwendet. Interessant ist weniger die Tatsache, dass sie on air – on line – on site Projekte sind, sondern dass sie eine Vielzahl von (Online-)Tools und Interfaces entwickeln und dass sie unzählige verschiedene Input-Möglichkeiten (von Mobiltelefonen, Wireless-Technologien bis hin zu Radioteleskopen) integrieren.

Die Immersion, die den on air – on line – on site Projekten der 1990er Jahre zu eigen war, ist zersplittert hin zu Mobilität, Flüchtigkeit und neuen Formen. Manchmal geschieht es jedoch, dass bei man aktuellen Projekten aufhorcht: unvermutet ist ein Fragment eines Klanges aufgetaucht, der vor zehn Jahren oder mehr bei einem ganz anderen Projekt ins Netz eingespeist wurde und diffundiert ist. Wir haben dafür den Ausdruck „Klangmigration“ gefunden und es ist wie ein seltsames Wiedersehen mit alten, lange verschollen geglaubten Bekannten.

Das (Wieder-)Auftauchen von Sounds, Klangfragmenten, Aktionspartikeln könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Raum, wie wir ihn gekannt haben, für immer aufgehört hat zu existieren. Wo keine Ausdehnung da keine Distanz, die mit linearen zeitlichen Mustern definiert werden muss. Wo keine Dauer, da kein Anfang und auch kein Ende. Verbindungen sind instantan und absolut zufällig. Kein Ursache/Wirkung-Dualismus. On or off. Nothing in between.

 

Wir haben den Raum gefaltet und die Welt ist verschwunden im schwarzen Kasten des Zauberers.

 

[ Juli 2006 ]

 


1| Martin Breindl, lo-res vs. hifi, 1997; in: Positionen, Beiträge zur Neuen Musik; Heft 31, "Internet"; Berlin, Verlag Positionen, 1997

2| Breindl/Christian/Math/Sodomka, Virtual Feedback, 1997; Projekttext zu „Recycling the Future, a Kunstradio project in 4 episodes. Episode 1: at Hybrid Workspace documentaX, Kassel, 18-27 July 1997 [http://kunstradio.at/FUTURE/DX/]

3| Frank Herbert, David Lynch, Dune (Drehbuch), 1984 [http://en.wikiquote.org/wiki/Dune_%28film%29]

4| Breindl/Math/Sodomka, Nahe Ferne. Zeitgleich, 1994; in: Zeitgleich; Wien - Hamburg, Triton Verlag, 1995

5| Robert Adrian X im Gespräch mit Martin Breindl, 2002; Gesprächsabschrift der Podiumsdiskussion vom 17. 8. 2002 im forumschlosswolkersdorf, anlässlich der "Weinviertler Fotowochen 2002" [http://alien.mur.at/theory/]

6| Gerfried Stocker, State of Transition, 1994; Projekttext [http://kunstradio.at/1994B/stateof_t.html]

7| ebda [http://kunstradio.at/1994B/10_11_94.html]

8| ebda [http://kunstradio.at/1994B/stateof_t.html]

9| ebda [http://kunstradio.at/1994B/stateof_t.html]

10| Heidi Grundmann, Horizontal Radio, A Report, 1995; [http://kunstradio.at/HORRAD/horradisea3.html]

11| Martin Breindl, Immersive Sound. The World in A Box, 1998; in: Audio Art, Kunst in der Stadt 2; Bregenz, Bregenzer Kunstverein, 1998

12| Sound Drifting. I silenzi parlano tra loro, 1999, Projekttext< [http://kunstradio.at/SD/]

13| Martin Breindl, Microcosmos and Macrocosmos, 1999; in: Sound Drifting; Wien: Triton, 2000


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