alien productions
[Martin Breindl | Norbert Math | Andrea Sodomka | August Black]
[Martin Breindl | Norbert Math | Andrea Sodomka | August Black]
DER GEDANKENPROJEKTOR, Künstlerhaus Graz, Sept./Okt. 2007
Nikola Tesla und sein Gedankenprojektor, Zeitungsillustration, 1933
Die Idee zu DER
GEDANKENPROJEKTOR geht auf eine – nie
realisierte – Erfindung Nikola Teslas zurück: eine Apparatur, mit der man Gedanken
fotografieren könne. 1933, im Alter von 78 Jahren, sagte Tesla:
„1893 [...]kam ich zur Überzeugung, dass ein betimmtes Bild,
das in Gedanken geformt wird, in einer Art Reflex ein dazu
korrespondierendes Bild auf der Netzhaut erzeugt, welches von einem
geeigneten Apparat gelesen werden könnte. Das brachte mich auf auf
mein System des Fernsehens ['television'], das ich damals
ankündigte [...] Meine Idee war es, eine künstliche Netzhaut
zu verwenden, die ein Objekt des gesehenen Bildes empfängt, einen
optischen Nerv und ein weitere Netzhaut am Ort der Wiedergabe [...]
beide gestaltet wie ein Schachbrett, mit dem optischen Nerv als
Erdung.“
[Retinalfotografie:]
Die Idee, dass sich auf der menschlichen Netzhaut
ein Bild abzeichnen könnte, war in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. So war man etwa der Meinung, dass
das letzte Bild, das eine sterbende Person sieht, für eine kurze
Zeit auf der Retina „fixiert“ würde, und man daher
eine Abbildung des Mörders finden müsste, wenn man
rechtzeitig die Netzhaut eines Mordpfers fotografierte. (vgl. Fall Emma
Jackson, ermordet 1863 in St. Giles in London. William H. Warner, ein
prominenter britischer Fotograf, schlug dies dem ermittelnden Beamten
von Scotland Yard vor. Die Idee, in diesem Fall erstmals historisch
belegt, wurde ausführlich diskutiert, dürfte jedoch schon
damals nicht neu gewesen sein.)
[Sehpurpur:]
Offensichtlich wurde das menschliche Auge mit
seiner Linse, Augenkammer und Retina als eine Art Kamera gesehen und
ihm objektive Speicherfähigkeit zugeschrieben; eine These, die durch die Entdeckung des
Rhodopsins, oder Sehpurpurs, durch Franz Boll 1887 neue Nahrung gewann.
Rhodopsin ist ein äußerst lichtempfindlicher roter Farbstoff
in den Stäbchen der Netzhaut, der bei Lichteinfall in einer
chemischen Reaktion in Opsin und Retinal zerfällt und dadurch gelb
wird und wahrscheinlich so die Bildaufnahme bewirkt. Was dem Fotopapier
die Silberhalogide, sind dem Auge das Sehpurpur.
[Gedankenfotografie:]
Was ein Empfänger ist, kann jedoch im selben
Sinn ein Sender sein. So dachte offensichtlich Nikola Tesla im
Umkehrschluss und erfand sozusagen als Nebenprodukt das Fernsehen -
also eine Maschine, die ständig Gedanken in Menschen
hineinprojiziert. Am anderen Ende der Skala, im Bereich des
Paranormalen und Okkulten, versuchte eine ganze Reihe von
Fluidalfotografen (angefangen mit Experimenten von Karl Ludwig Freiherr
von Reichenbach in Berlin 1861/62, den Franzosen Hyppolyte Baraduc,
Louis Darget, and Jules-Bernard Luys um die 1900er-Wende, über den
Russen Semyon Kirlian in den 1940ern bis hin zu den
„thoughtographs“ des Amerikaners Ted Serios in den 1960ern)
mehr oder weniger erfolgreich ihre Gedanken durch bloße
Konzentration ohne Kamera direkt auf Fotopapier zu bannen.
[Der künstlerische Ansatz:]
Historische technische Utopien und Visionen waren
immer wieder Ausgangspunkte bzw. Parallellinien für Arbeiten von
alien productions und der daran beteiligten KünstlerInnen –
so etwa Friedrich Kieslers kinetische Theatervisionen für Die Bühne ist leer 1996,
Charles Babbages Rechenmaschinen für Die
Differenzmaschine 1996, der
lochkartengesteuerte Jacquard-Webstuhl für Arbeitsmuster 2003, oder die
Edison-Walze für Transmission 2007.
Im Zeitalter der Überwachung, wo täglich
Tausende von Kameras auf uns gerichtet sind, um Absichten von
bösen Individuen möglichst schon im Vorhinein aus
„abweichendem“ oder „auffälligem“
Verhalten zu erkennen und auszufiltern – die dazu nötigen
Bilderkennungmechanismen und Softwaren sind längst
implementiert – ist es sehnlicher, aber bis
jetzt unrealisierbarer Wunsch der Mächtigen und deren
Erfüllungsbehörden und -gehilfen, die Gedanken der Menschen
auszulesen und aufzuzeichnen. Während unser Verhalten durch die
kameratechnische Realisation des Benthamschen Panopticons mehr und mehr
reglementiert wird, sind unsere Gedanken frei. Jedoch, so stellt sich
die Frage, wie lange noch?
[Fish-Eye:]
Eine Hausfrau putzte gerade einen großen
Kabeljau, als sie, zu ihrer Überraschung, ein exaktes Abbild
eines Fischers im Auge des Fisches entdeckte. Es war eine deutliche
Miniatur eines komplett ausgerüsteten Fischers im Ölzeug,
gerade dabei, den Fisch ins Boot zu ziehen.
[publiziert 1869] in: Bill Jay, Cyanide &
Spirits. An-Inside-Out View of Early Photographs. Nazraeli Press;
zitiert nach: Luna Córnea, Número 10; México D.F.,
Centro de la Imagen, Sep/Dic 1996.