Liesl Ujvarys Musik

Vortrag, gehalten am 12. 3. 2004 im literarischen quartier alte schmiede, Wien
anlässlich des "Literarischen Portraits: Liesl Ujvary" | von Martin Breindl

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  1. Rezepturen
  2. Das Material
  3. Die Synthese
  4. Der Rhythmus
  5. Die Welthaltigkeit - Die Sprache
  6. Kontrollierte Spiele

Der Rhythmus

Was – mit Ausnahme der neuesten Produktionen – weiters an Liesl Ujvarys Musik auffällt, ist der immer durchgängige harte Rhythmus, der sie beherrscht. Ujvary sampelt und loopt und baut aus ihrem Klangmaterial Beats, die – obwohl sie eindeutig keiner Stilrichtung zuzuordnen sind – an Techno, Trance, Downbeat oder TripHop erinnern, allesamt Stilelemente, die eigentlich der sogenannten "Popularmusik" zuzuordnen sind.

Nun herrschen aber (gerade unter Intellektuellen) gewisse Ressentiments gegen den Rhythmus – also gegen die Redundanz, was eigentlich verwunderlich ist, denn wie vorher erwähnt, ist Redundanz ja entscheidend für die Verständlichkeit einer Botschaft. Und dass es sich bei Ujvarys Musikstücken um Botschaften handelt, wird wohl niemand bestreiten können, da zumindest alle Grundvoraussetzungen für das Vorhandensein einer solchen da sind: Ujvary als Senderin, wir als EmpfängerInnen, ein Medium als Träger und ein – in diesem Fall akustischer – Code.

Nun müssen wir aber auch Ujvarys Rhythmus als Teil des Codes und somit als Teil der Botschaft akzeptieren, da gibt’s kein Wenn und Aber. Wenn man sich nun näher mit diesem Rhythmus beschäftigt, wird es klar, dass er ausser einer Funktion (der Strukturierung der Information) auch eine – wenn nicht philosophische – zumindest weltanschauliche Dimension hat:

"Also wenn ich die Wahrheit sagen will, kann ich nicht deutsch reden und schöne deutsche Sätze bilden ... so wie Ossi Wiener gesagt hat: "In jedem grammatikalisch richtigen Satz steckt der Polizeistaat". Steckt auch was anderes drinnen, nicht nur der Polizeistaat, das hat er im 68er-Rausch geschrieben, aber es steckt auch drinnen, dass wir Strom haben und Mini Disc Recorder, überhaupt, diese ganzen netten Sonys und Computer. Wenn die Leute nicht diszipliniert arbeiten, dann funktioniert das alles nicht, dann gibts keinen Saft – das ist es. Auch unser Herz muss regelmässig klopfen, wenn es unregelmässig klopft, ist es aus, Kammerflimmern, Ende. Die Ordnung ist die Basis unserer ganzen Zivilisation. Innovation beruht auf Affirmation. Du musst sehr redundant sein. Du musst ganz viele Sätze bilden, bevor überhaupt ein bissl was Verständliches durchkommt." |10|

Wie Ujvary sich zu ihren "Sätzen" verhält, verhält sie sich auch zu ihrer Rhythmusspur. Diese ist jene Art von Ordnung, die die Welt und uns selbst am Laufen hält. Ujvarys Rhythmus ist ein Zeichen dafür, dass der Strom aus der Steckdose kommt, dass Arbeitszeiten genau eingehalten werden, dass der Takt der öffentlichen Verkehrsmittel ein regelmässiger ist.

Ujyvarys Rhythmus ist der Herzschlag. Und als solcher hat er eine auch eine unheimliche, eine abgründige Komponente. Wenn er fehlt, ist Kammerflimmern, Ende. Oder lassen Sie uns alle mal, nur so als Experiment, für ganz kurze Zeit – sagen wir 5 Minuten – unseren Herzschlag anhalten?

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10 |   Liesl Ujvary im Gespräch mit Martin Kubaczek; in "Kontrollierte Spiele", Wien, Sonderzahl, 2002, p. 110f.